Kapitalrente soll Altersversorgung aufhübschen
Zu Lasten der jüngeren Generationen verschiebt die Ampel-Koalition eine schon seit Jahrzehnten überfällige Rentenreform weiter auf den Sankt Nimmerleinstag. Altersarmut, schon heute ein allgegenwärtiges Problem, wird im Koalitionsvertrag nicht einmal erwähnt, Klima dagegen 198-mal. Damit wird deutlich, auf welche politischen Schwerpunktthemen SPD, Grüne und FDP ihren Fokus in den kommenden vier Jahren richten werden. Die Vermeidung von Altersarmut gehört trotz der vor uns stehenden demographischen Herausforderungen jedenfalls nicht dazu – in Rentenfragen sieht Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit anders aus.
Zur Altersvorsorge heißt es im Koalitionsvertrag:
„Es geht darum, sich mit eigener Arbeit eine gute eigenständige Absicherung im Alter zu schaffen. Wir werden daher die gesetzliche Rente stärken und das Mindestrentenniveau von 48 Prozent (Definition vor der kürzlich durchgeführten Statistikrevision) dauerhaft sichern. In dieser Legislaturperiode steigt der Beitragssatz nicht über 20 Prozent.“
Für Jüngere ist die Rettung des globalen Klimas wichtiger als eigene Altersversorgung
Damit wird lediglich der Status quo fortgeschrieben, obwohl die SPD ebenso wie die Grünen im Wahlkampf in ihren Programmen mit der Einführung der Bürgerversicherung geworben haben. Das bedeutet nicht Fortschitt sondern Stillstand. Letztlich durchgesetzt hat sich die FDP, die ausgerechnet bei jüngeren Wählern Stimmen hinzugewinnen konnte. Für die aber scheint die Rettung des globalen Klimas, auf das Deutschland selbst mit größten Anstrengungen und hohem finanziellen Aufwand kaum Einfluss nehmen kann, eine höhere Priorität zu besitzen.
Den aktuellen Rentnern versprechen die Koalitionäre, dass es keine Rentenkürzungen geben werde. Und weiter,
„Um diese Zusage generationengerecht abzusichern, werden wir zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen. … Diese teilweise Kapitaldeckung soll als dauerhafter Fonds von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle professionell verwaltet werden und global anlegen. Dazu werden wir in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von 10 Milliarden Euro zuführen.“
Was zunächst wie eine große Summe daherkommt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Tropfen auf dem heißen Stein. Dies lässt sich mit den vier Grundrechenarten leicht überprüfen. Bei einer angenommenen Rendite von 6,5 Prozent würden der Rentenversicherung ab 2023 jährlich zusätzliche Einnahmen in Höhe von 650 Mio. EUR zufließen, die zur Aufstockung der Renten verwendet werden könnten. Dabei stellt sich die Frage der Verteilung. Würde man die Summe auf alle 21,2 Mio. Rentner gleichmäßig verteilen, würde jeder im Jahr 30,66 EUR, entsprechend 2,56 EUR im Monat, erhalten. Alternativ könnte man mit dem Betrag auch eine Rentenerhöhung in der Größenordnung von 0,2 Prozentpunkte finanzieren. Der berühmte Eckrentner, der 45 Jahre lang stets ein Entgelt in Höhe des Durchschnittsentgelts aller Versicherten bezogen hat, würde statt 1.538,55 EUR eine monatliche Bruttorente in Höhe von 1.541,63 EUR erhalten. Eine Erhöhung um 3,08 EUR. Nur zum Vergleich: Die Mindestpension für einen unverheirateten Beamten beträgt in Baden-Württemberg bereits nach 5 Jahren 1.805,39 EUR, und zwar ohne dafür jemals eigene Beiträge eingezahlt zu haben.
Allein die volle Deckung der an die Rentenversicherung übertragenen versicherungsfremden Leistungen würde ein Kapitalstock von 600 Mrd. EUR erfordern.
Um die Deckungslücke der versicherungsfremden Leistungen in Höhe von 39,4 Mrd. EUR, die der Staat der Rentenversicherung 2020 schuldig geblieben ist (siehe hier) und als versteckte Sondersteuer den aktiven Beitragszahlern aufgebürdet wurde, wäre ein Kapitalstock in Höhe von 600 Mrd. EUR erforderlich. Nicht umsonst halten führende Rentenexperten einen Kapitalstock in der Größenordnung eines mittleren dreistelligen Milliardenbetrags für notwendig, um die aktiven Beitragszahler mit Blick auf die demographische Entwicklung langfristig zu entlasten. Bei einem anfänglichen Kapitalstock in Höhe von 10 Mrd. EUR und einer angenommenen durchschnittlichen Rendite von 6,5 Prozent müsste man 65 Jahre lang warten, bis der Kapitalstock auf rund 600 Mrd. EUR angewachsen ist, wenn dem Fond zu keinem Zeitpunkt Geld entnommen wird. Der Gedanke, dass sich die Politik so lange von einem gefüllten Geldtopf zurückhalten kann, ist illusorisch, das hat uns die Geschichte gelehrt.
So lange kann die Politik auch nicht mit der Sanierung der Rentenversicherung warten. Woher soll das Geld zur Aufstockung des Fonds kommen? Wie bereits erwähnt, greift der Staat ja schon heute mit beiden Händen in die Rentenkasse, um sozialpolitische Verpflichtungen zu finanzieren. Das Experiment der Transformation Deutschlands hin zu einer CO2-freien Wirtschaft mit ungewissen Ausgang wird Unsummen verschlingen, alles finanziert über Schulden. Woher soll dann noch das Geld für den Aufbau eines Kapitalstocks für eine Kapitalrente kommen? Nachhaltigkeit als Handlungsmaxime gilt nicht nur für das Klima, sondern auch für die Finanzen, schließlich wächst das Geld nicht auf den Bäumen.
Die Rechenspielchen sollen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, vor Augen führen, mit welcher Dreistigkeit die Ampel-Koalitionäre im Koalitionsvertrag ein potemkinsches Rentendorf aufgebaut haben. Angesichts der anstehenden demographischen Herausforderungen ist die Kapitalrente politische Schönfärberei der Extraklasse und wird als Rohrkrepierer enden. Tatsächlich stehen die Ampel-Koalitionäre mit leeren Händen da. Sollte es die Politik ernstmeinen, führt an der Transformation der bestehenden Altersversorgungssysteme hin zu einer Bürgerversicherung, die nach Leistungsfähigkeit von allen gleichermaßen solidarisch getragen wird, kein Weg vorbei. Es ist davon auszugehen, dass SPD und Grüne ihre Wahlprogramme im Lichte dieser Erkenntnis formuliert haben, sich aber nicht gegenüber der FDP haben durchsetzen können. Die Grünen dürfen sich wenigstens auf ihrer Klimaspielwiese austoben, was aber bleibt der SPD, außer einem weiteren Vertrauensverlust? Viele ältere Arbeitnehmer erinnern sich noch an das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) von 2004, mit dem die SPD nachträglich tief in die private Altersvorsorge von Arbeitnehmern griff und 20 Prozent ihres Sparvermögens in die Kranken- und Pflegeversicherung umlenkte. Wie die der Rentenkasse nicht vollumfänglich erstatteten versicherungsfremden Leistungen, von der SPD gegenüber den aktiven Beitragszahlern verheimlicht, eine staatliche Enteignung durch die Hintertür. Arbeitnehmer in Deutschland zahlen unter allen OECD-Staaten die höchsten Steuern und Abgaben und stellen sich bei Rentenhöhe und Vermögen weit hinten an. Daran wird auch die Kapitalrente in der angedachten Form nichts ändern.
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